Festschrift

zu 60 Jahre Spielmannszug Kampen (1928-1988)

Der Spielmannszug des Schützenvereins Kampen und Umgegend.

Geschichte und Geschichten

Motto: Kampen hat den besten Spielmannszug zwischen Welle und Hoinkenbostel. (Der ehemalige Bürgermeister von Kampen: Heinrich Brenning)

Vorwort

Mit einfachsten Mitteln gründete eine handvoll junger Männer vor 60 Jahren den Spielmannszug Kampen. Im Laufe der Zeit entstand daraus eine Gemeinschaft, die Höhen und Tiefen zu überstehen hatte. Diese Spielleute verband die Freude am gemeinsamen Spiel und die Geselligkeit.

Stets war es eine besondere Stärke der Spielleute Frohsinn zu verbreiten. Durch musikalische Fortbildung, vor allem in den letzten Jahren, bemühte man sich, den Ansprüchen der jeweiligen Zeit gerecht zu werden.

Der Spielmannszug Kampen ist somit fester Bestandteil des dörflichen Lebens geworden. Die "Melkermütze" ist weit über die Ortsgrenzen bekannt, und wurde zu unserem Wahrzeichen.

Die Chronik soll die Entstehung und die Entwicklung des Spielmannszuges Kampen darstellen - seine Geschichte. In loser Reihenfolge sind Anekdoten eingefügt - Geschichten - die aus der besonderen Mentalität der Spielleute entstanden.

Ein herzlicher Dank richtet sich an alle, die uns mit Bildern oder mit ihren Erinnerungen unterstützten.

Gerd Dringenburg, Tambourmajor

Die erste Erwähnung des Spielmannszuges des Schützenvereins Kampen und Umgegend findet sich in einer Protokollnotiz zu einer Vorstandssitzung aus dem Jahre 1924:

Es wurde beschlossen ein Trommler- und Pfeifercorps (2 Trommler und 4 Pfeifer) zu bilden. Wenn sich hierfür entsprechend genügend junge Leute finden, ist der Vorstand ermächtigt, 2 Trommeln und 4 Pfeifen zu beschaffen.

Auch in den Protokollen des Turnvereins Welle aus dem Jahre 1925 finden sich Vermerke, die auf die Gründung eines Spielmannszuges in dieser Region hinweisen. So wurde - nach diesen Protokollauszügen - verabredet, dass der Schützenverein die Anschaffung der Instrumente finanzierte, der Turnverein sollte dann für die Ausbildung sorgen.

Dazu wurde ein Musiklehrer namens Schmidt aus Harburg engagiert, der volle zehn Übungstage arbeiten sollte. Aber nach Ablauf von zwei Tagen schmerzten die Lippen der Pfeifer dermaßen, dass ein weiteres Üben nicht mehr möglich war.

Der Ausbilder kam daher in der Folgezeit einmal in der Woche für einen ganzen Tag. Nicht nur die Spieltechnik wurde von ihm vermittelt, er betrieb auch Notenlehre.

Der Turner-Spielmannszug auf der B3 vor Wille's Gasthof

Das erste Kamper Schützenfest mit Auftritten des Spielmannszuges fand im Jahre 1925 statt. Wenn man sich den Festablauf heute vergegenwärtigt, kann man sich das damalige Geschehen kaum noch vorstellen. Am Sonntag und Montag wurde geschossen und gefeiert, der neue Schützenkönig dann am Montagabend mit Musikbegleitung nach Hause gebracht. Uniformen gab es damals nicht, die Spielleute agierten in ihrer üblichen Kleidung mit "Schwalbennestern" an den Schultern und mit Schützenhut.

Als der Spielmannszug mit Tambour Wilhelm Hilmer an der Spitze - dieser kam aus den Reihen des Turnvereins - antrat, forderte der damalige Kommandeur des Schützenvereins diesen auf, den Tambourstab an Wilhelm Rademacher - aus den Reihen des Schützenvereins - zu übergeben. Trotz energischer Proteste der Spielleute folgte Wilhelm Hilmer schließlich doch der Aufforderung, und so war während des ganzen Schützenfestes Wilhelm Rademacher Tambour!

Nach diesem Vorfall beschlossen die Spielleute aus dem Turnverein, nicht mehr in Kampen mitzuwirken. Der TV erstattete deshalb dem Schützenverein das Geld für die Instrumente.

Nach diesen Geburtswehen, die in den Niederschriften des Turnvereins Welle deutliche Spuren hinterließen, fanden sich im Winter 1927 acht junge Leute in Kampen zusammen, die wieder mit dem Übungsspiel begannen.

"Veteranen" des Spielmannszuges

Die Pfeifen wurden von Gustav Kolthammer, Hermann Tödter, dem Stellmacher Otto Meyer und Heinrich Hilmer geblasen. Die drei Trommeln schlugen Heinrich Tödter, Heinrich Heitmann und Wilhelm Leinroth. Den Tambourstab schwang Wilhelm Rademacher, der aus seiner Militärdienstzeit während des ersten Weltkrieges 1914-1918 gewisse Vorkenntnisse aus einem Spielmannszug heimbrachte, in dem er als Trommler und auch schon mal als Regimentstambour mitwirkte.

Die Ausbildung der Trommler hatte Wilhelm Leinroth übernommen, der aus Buchholz stammte und bei dem Malermeister Prigge seine Lehrzeit absolvierte. In Buchholz bestand zu dieser Zeit schon ein Turner-Spielmannszug, hier hatte Wilhelm Leinroth seine ersten Kenntnisse mit den Trommelstöcken erworben.

Die Pfeifer besaßen keinerlei Ausbildung oder Vorkenntnisse, konnten weder Noten lesen und hatten von Grifftabellen noch nie etwas gehört. Man probierte so lange, bis sich der gefundene Ton dem des angestrebten Teiles des zu übenden Stückes wenigstens annäherte. Dann schaute man sich die so erarbeiteten Griffe gegenseitig ab.

Im ersten Übungsjahr 1927/28 traf man sich einmal in der Woche abwechselnd bei den einzelnen Mitspielern, um als einen Anfang gemeinsam den Marsch "Ich hatt' einen Kameraden" zu intonieren. Idealismus wurde groß geschrieben. Nicht nur, dass man sehr eifrig bei der Sache war, darüber hinaus erwarb man auch in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit Instrumente aus dem eigenen Geldbeutel.

Aufmarsch zum Schützenfest Anfang der 30er Jahre

Der Lehrling Wilhelm Leinroth - so streng waren damals die Bräuche - hatte keinerlei Einkünfte und wohnte in "Kost und Logis" bei seinem Meister, erhielt ein Instrument gestiftet. Trotz allen Übungseifers kam auch die Geselligkeit nicht zu kurz. Nach Abschluss des gemeinsamen Bemühens, dass in der Regel von 20.00 - 22.00 Uhr dauerte, kehrte man noch beim Kamper Wirtsmann ein, wo kräftig Bier aus einem gläsernen Stiefel getrunken wurde. Auch hier verfuhr man so kameradschaftlich, dass man den Malerlehrling von eventuell anfallenden Kosten befreite.

Der Pfeifer Otto Meyer war für seine Sportlichkeit bekannt. Er war in der Lage, auf das Kommando "Mobby hopp" hin aus dem Stand auf den Gasthaustisch zu springen und dort oben nach Kosakenart zu tanzen.

Zur musikalischen Ausgestaltung des Schützenfestes in Kampen wurde seinerzeit die Schützenkapelle aus Tostedt herangezogen. Kurz vor Beginn des Festes führte man dann einen gemeinsamen Übungsabend zusammen mit dem Kamper Spielmannszug durch.

In den folgenden Jahren übte man nur noch regelmäßig vor den Auftritten anlässlich des Schützenfestes. Dazu stellte der damalige Bürgermeister Heins sein Amtszimmer, die "Bürgermeisterstube", zur Verfügung. Hier konnte man sich auch einer neuzeitlichen und sehr fortschrittlichen Errungenschaft zur "Weiterbildung" bedienen, des Grammophons der bürgermeisterlichen Haushaltung!

Die zur Verfügung stehenden Schallplatten dienten als Vorgabe zur Einübung neuer Märsche. Auch diese neuen Musikstücke wurden "nach Gehör" übernommen, es ist daher verständlich, dass dies nicht nur ein länger währendes, sondern auch mit großen Schwierigkeiten verbundenes Unterfangen war. Das dabei nicht gerade seltene "Vergreifen" wurde als "Hähn in Hoff" apostrophiert.

Abholen des Schützenkönigs August Bonhoff Schützenfest 1937

Bislang bedienten sich die Spielleute ausschließlich der Trommeln und Pfeifen. Im Jahre 1937 stattete der amtierende Schützenkönig August Bonhoff , damaliger Molkerei-Betreiber in Welle, den Zug mit einer großen Trommel -einer Pauke- aus. Diese Pauke erfüllt auch noch heute -im Jahre 1988- ihre guten und zuverlässigen, volltönenden Dienste.

Unsere "Pauke", hier in den Nachkriegsjahren - bis heute im Einsatz.

Auch am deutschen Schützenwesen war das Jahr 1933 nicht spurlos vorübergegangen. Die Freiheiten der einzelnen Vereine wurden immer weiter eingeschränkt, die Aktivitäten beschnitten und teilweise "umfunktioniert". So konnte es nicht ausbleiben, dass auch die Spielleute unter der sich verändernden Situation litten, bis dann im Jahre 1942 die letzte ordentliche Generalversammlung des Schützenvereins Kampen und Umgegend vor dem Ende des 2. Weltkrieges durchgeführt werden konnte und nur die Hoffnung auf einen Wieder- und Neubeginn in Frieden und Freiheit offen ließ.

Im Jahre 1949 fanden sich die ehemaligen Spielleute erstmals wieder zu einem Übungsabend zusammen. Instrumente waren zum Teil noch aus der Vorkriegszeit erhalten, einige erhielt man vom ehemaligen SA-Spielmannszug Tostedt. Die restlichen Instrumente schaffte der Verein an. Die Übungsabende fanden bei Tischlermeister Hermann Wille, Kampen, statt. Die Trommler übten auf der Hobelbank nach Anweisung von Hermann Wille.

Der Spielmannszug 1950 mit "Polizeischutz hoch zu Ross"

Die Pfeiffer übten weiterhin nach dem bewährten Vorkriegssystem. Sie hatten bei Familie Bärenfänger ein Grammophon aufgetrieben, welches so lange gequält wurde, bis jeder Solist die Melodie halbwegs aufgenommen hatte. Nach wie vor existierte keine Grifftabelle, so dass jeder Griff mit gemeinsamer Kraft gesucht werden musste. Begonnen wurde mit den Übungsabenden erst acht Wochen vor dem Schützenfest.

Dank der raschen Auffassungsgabe der Spielleute war es aber möglich, in dieser Zeit sieben Märsche einzuüben. Tambourmajor war in den beiden ersten Jahren wieder Wilhelm Rademacher, der dieses Amt schon vor dem Krieg bekleidet hatte. Um den Nachwuchs zu fördern, begann man in den nächsten Jahren drei Monate vor dem Schützenfest zu üben. Dabei stellte sich heraus, dass Helmut Tödter aus Welle eine besondere musikalische Begabung an den Tag legte. Er erkannte schnell die Mängel des bisherigen Übungssystems.

Zwecks Einübung weiterer Märsche besucht er mit zwei anderen Spielleuten die Übungsabende des Spielmannszuges Otter. Dort war bereits seit einigen Jahren der ehemalige Wehrmachtstambour Hans Franzke aus Tostedt als Ausbilder tätig. Dieser hatte in Otter das erste einfache Griffsystem für Pfeifen eingeführt. Dieses System übernahm Helmut Tödter mit nach Kampen. Es brachte eine wesentliche Erleichterung des Übens mit sich.

1951 gab Wilhelm Rademacher sein Amt als Tambourmajor an Hermann Wille ab. Am letzten Übungsabend vor dem Schützenfest wurde beschlossen, innerhalb des Spielmannszuges eine Königskasse zu gründen. Der Beitrag wurde auf 10,-- DM festgesetzt. Da der Gastwirt Friedrich Matthies ein großer Liebhaber des Spielmannszuges war, wurde er kurzfristig zum Ehrenmitglied des Spielmannszuges ernannt, und in die Königskasse aufgenommen. Dies sollte schwerwiegende Folgen haben, denn zwei Tage später schoss Friedrich Matthies den Vogel ab, und er erhielt somit vom Spielmannszug 180,-- DM.

Der frischgebackene Schützenkönig revanchierte sich bei seinen Spielleuten, indem er ihnen eine Lyra, einreihiges Modell, stiftete. Nach der großen Trommel war das der nächste Klangkörper, der neu eingesetzt wurde. Das neue Instrument spielte Hermann Pape. Wilhelm Hilmer übernahm 1952 ein Jahr den Tambourstab in Vertretung für Hermann Wille, der erkrankt war.

Ehrenspielmann Friedo Matthies mit der gestifteten Lyra

Der gute Ruf des Kamper Spielmannszuges war inzwischen auch andernorts bekannt, sodass man das Angebot bekam, in Wintermoor a. d. Ch. das Schützenfest musikalisch zu untermalen. Hierbei trug sich im Jahre 1953 folgendes zu:

Der Schützenkönig Friedrich Heitmann sollte bei sengender Hitze aus dem Nachbarort Geversdorf abgeholt werden. Tambourmajor Hermann Wille bestimmte wie üblich einen Marsch. Ganze drei Takte nach dem Anriss verstummte die Musik plötzlich wegen mangelnder Konzentration der Spielleute. Nach ausdrücklicher Ermahnung durch den Tambourmajor setzte man ein zweites Mal an.

Das Ergebnis war jedoch noch beschämender, worauf der Wintermoorer Kommandeur den Festzug anhalten ließ, und scharfsinnig erkannte: "Jü wütt doch bloß Köm hämm!". Da man für solche Notfälle gerüstet war, bekam jeder Spielmann die Gelegenheit sich zu stärken. Beim Abmarsch erklang nunmehr der Marsch in nie gekannter musikalischer Qualität.

Während des gleichen Festaktes im Jahre 1955 wurde unterwegs der Tübinger Marsch angesagt. Als nun der Trommler Günter Lücke mit scharfem "T" den Tübinger nach hinten weitergeben wollte, verwandelte sich sein neu eingesetzter Stiftzahn in ein Geschoss mit unkontrollierter Flugbahn. Er konnte jedoch nach intensiver Suche wiedergefunden werden.

Der Spielmannszug mit Nachwuchs 1963

Im Jahre 1963 gab Hermann Wille den Tambourstab ab. Man war sich innerhalb des Spielmannszuges einig, dass Helmut Tödter sein Nachfolger werden sollte. Hierzu war aber ein Beschluss der Generalversammlung nötig, da der Tambourmajor Vorstandsmitglied ist. Bei Abstimmung wurde der ernsthafte Einwand erhoben, dass Helmut Tödter für das Amt nicht geeignet sei, da er kein Soldat gewesen war. Nachdem diesbezügliche Bedenken durch den Schützenpräsidenten Gustav Kolthammer ausgeräumt waren, wurde Helmut Tödter einstimmig gewählt.

Den ersten Auftritt in seiner Funktion als Tambour hatte Helmut Tödter beim Polterabend des Paukisten Herbert Heitmann, Kampen. Nach dem Begrüßungsständchen stärkte man sich mit Rumgrog, wobei die Dosis des Tambors in hinterhältiger Absicht ständig zugunsten des Rums erhöht wurde, bis man ihm schließlich reinen Rum mit Zucker verabreichte.

Trotz seines beklagenswerten Zustandes sah sich der pflichtbewusste Tambour veranlasst zu später Stunde noch einen Marsch zu Ehren des Brautpaares zu intonieren. Zwecks besserer Übersicht erklomm er nun den Küchentisch, jedoch sein Gleichgewichtssinn war durch den übermäßigen Alkoholkonsum so stark gestört, dass die Tambourspitze mehrere Bohrungen in der Zimmerdecke hinterließ, bis eine allzu heftige Bewegung zum endgültigen Absturz führte.

Die Landung auf dem Erdboden erfolgte so ungünstig, dass der Landarzt Dr. Müller ihm am nächsten Tag ein gebrochenes Steißbein attestierte. Auf dem Nachhauseweg zog sich der schmerzgeplagte Tambourmajor zu allem Überfluss noch eine Kopfverletzung an der heimischen Hauswand zu. Helmut Tödter hatte damit seine Feuerprobe bestanden!

Ab 1961 übernahm Hans Franzke die Ausbildung des Kamper Spielmannzuges mit preußischer Genauigkeit. Während des wöchentlichen, zweistündigen Übens herrschte strengstes Alkoholverbot, nur in der Pause von exakt 10 Minuten durfte geraucht werden.

Während der Wintermonate übte man auf dem Saal der Gaststätte Wille in Welle, im Sommer wurde auf dem Kamper Schützenplatz exerziert. Das Wirken Franzkes hat bis in die heutigen Tage seine Spuren hinterlassen, denn außer dem Zug glänzt vor allem der jetzige Tambourmajor Gerd Dringenburg durch seine Zackigkeit. Franzke hatte dem jungen Dringenburg in den sechziger Jahren seine besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.

Durch die intensive Ausbildung sah man sich ermutigt, an auswärtigen Veranstaltungen teilzunehmen. Nach dem Heidefreundschaftstreffen 1964 in Schneverdingen folgte 1965 der erste Wettkampf in Buxtehude. Obwohl die Kamper Kameraden ihr Bestes gaben, konnte in der entsprechenden Klasse von 8 teilnehmenden Zügen nur der letzte Platz erreicht werden. Insgesamt gingen an diesem Tage in verschiedenen Klassen 40 Spielmannszüge an den Start.

Wettstreit in Fleestedt

Zu Hause angekommen überraschte nun der wackere Helmut Tödter den Vorstand des Schützenvereins und die Honoratioren des Dorfes mit der Nachricht, dass von 40 teilnehmenden Zügen ein sensationeller 8. Platz erreicht worden wäre. Es kam natürlich kein Zweifel darüber auf, dass dieses hervorragende Ergebnis gebührend gefeiert werden musste, und es wird berichtet, dass nach späteren Siegen nie wieder ein Fest gefeiert wurde, welches diesem auch nur annähernd ebenbürtig gewesen wäre.

In den folgenden Jahren besuchte man verschiedene Wettkämpfe mit immer höheren Platzierungen, bis im Jahre 1969 in Husum-Rödemis endlich ein 1. Platz errungen werden konnte. 1971 beendete Hans Franzke seine inzwischen zehnjährige Tätigkeit im Spielmannszug Kampen. Die Ausbildung der Pfeiffer übernahm für zwei Jahre Rainer Bostelmann, ebenfalls aus Tostedt, die Trommler bildete Manfred Matthies aus. Rainer Bostelmann und Manfred Matthies hatten ihre Bundeswehrzeit beim Heeresmusikkorps 3 in Lüneburg absolviert, und bemühten sich nun darum die spielerische Qualität zu verbessern. Von nun an durchlief der größte Teil des Spielmannszugnachwuchses während der Bundeswehrzeit das HMK 3.

Auf Anregung Rainer Bostelmanns wurde eine Anwesenheitsliste eingeführt, unentschuldigtes Fehlen während des Übungsabends wurde mit Strafgeldern geahndet. Die winterlichen Übungsabende fanden jetzt im Kamper Wirtshaus statt, wo die Trommler aus Platzmangel in der Küche der Familie Matthies übten, und deswegen als "Küchenmusiker" tituliert wurden. Besonders willkommen waren gespendete Runden von den Wirtsgästen der benachbarten Gaststube.

Die "Küchenmusiker" bei der Probe

Der größte Anhänger des Spielmannszuges war der pensionierte Zimmermann Hermann Bostelmann (Wo kämen all die Häuser her, wenn Hermann Bostelmann nicht wär`!). Dieser richtete seine regelmäßigen Friseurbesuche so ein, dass er auf dem Heimweg den Übungsabend besuchen konnte. An solchen Abenden flossen die Runden reichlich, und als Höhepunkt bekam Hermann Bostelmann den Tambourstab in die Hand. Bei einem dieser Anlässe sah er sich zu so heftigen Dirigierbewegungen genötigt, dass die Tambourstabspitze die Beleuchtung der Gaststube durchschlug, was ihm den Beinamen Lampentambour einbrachte.

Der "Lampentambour" Hermann Bostelmann

In den Jahren 1973 -1975 konnten sich die Kamper Spielleute auf Wettkämpfen mehrmals platzieren. Nach einem 1. Platz des Zuges 1973 in Buxtehude gelang es Helmut Tödter 1974 in Hausbruch Hans Franzke als Tambour zu besiegen.

Der nächste größere Auftritt erfolgte 1974 anlässlich eines Spielmannszugtreffens in Husum. Während einer Pause nutzten die Spielleute die Zeit für eine Besichtigung des Hafens. Beim Anblick des Hafenbeckens packte den Lyristen Heinz Pape der Sportsgeist, und er stürzte sich nach dem Ablegen seiner Uniform Kopfüber ins Wasser. Infolge ungenügender Wassertiefe wurde sein athletischer Korpus in den Hafenschlick gerammt. Die Spielmannskameraden bezichtigten ihn daraufhin der illegalen Krabbenfischerei.

Der "Krabbenfischer", hier noch bekleidet

1975 kam es mit drei Wettkämpfen in einem Monat zu einem Höhepunkt erfolgreicher auswärtiger Auftritte.

1977 ereignete sich in Buxtehude ein folgenschwerer Unfall. Der Spielmannszug sammelte sich, um sich für den bevorstehenden Auftritt vorzubereiten. Beim Versuch eine Barriere zu überspringen stürzte Helmut Tödter so schwer, dass er sich einen Schulterkapselriss zuzog. Diese Verletzung zwang ihn einige Jahre später, den Tambourstab abzugeben.

Sein Vertreter Gerd Dringenburg musste nun ohne jegliche Vorbereitung den abmarschbereiten Zug über den Parcours führen. Er machte seine Sache so gut, dass man gegen eine starke Konkurrenz einen beachtlichen 4. Platz erringen konnte.

1978 feierte der Spielmannszug sein 50-jähriges Bestehen. Bei strahlendem Sonnenschein wurde auf dem Weller Sportplatz ein Spielmannszugwettkampf ausgetragen. Die Veranstaltung wurde ein großer Erfolg. Nach einem Frühschoppen mit Jazz-Musik, in einem eigens eingerichteten Festzelt, trug man den Wettstreit aus. Besonders gut organisiert war die Auswertung der Richterentscheide. Bereits fünf Minuten nach dem letzten Auftritt stand das Endergebnis fest.

Helmut Tödter und Gerd Dringenburg

Schweren Herzens gab Helmut Tödter nach fast 20-jähriger Stabführung 1978 sein Amt ab. Bei der Verabschiedung am Königsabend des Schützenfestes wurden noch einmal alle Pokale aufgebaut, die auf Wettkämpfen errungen werden konnten. Nach Hermann Wille wurde Helmut Tödter zum zweiten Ehrentambourmajor des Spielmannszuges Kampen ernannt. Sein Nachfolger Gerd Dringenburg hatte sich bereits in mehreren Auftritten bewährt.

Aus dem Tostedter Jugendzug erhielt man ausgebildeten Nachwuchs mit Notenkenntnissen, gleichzeitig verließen andere Spielleute den Zug. Nach heftigen Diskussionen wurde die allgemeine Ausbildung nach Noten beschlossen. Der Anfang der 80er Jahre war somit durch eine gewisse Unruhe unter den Spielleuten geprägt. Die Übungsabende waren zum Teil nur schwach besucht, auch die Auftrittsstärken lagen unter dem Durchschnitt. Langfristig zog man die eigene Ausbildung von Nachwuchs in Erwägung.

Eine Entspannung des zeitweiligen Stimmungstiefs brachte ein Wettkampf im entlegenen Bad Oldesloe. Das morgendliche Sammeln vor der Abfahrt in Welle erbrachte eine Spielstärke von 14 Spielleuten, worauf ein altgedienter Flötist unter Protestbekundungen von Dannen zog. Mit nunmehr 13 Spielleuten und der Gewissheit nichts mehr zu verlieren zu haben ging es in den Wettkampf. Der Redakteur der "Stormarner Nachrichten" kommentierte den weiteren Verlauf der Ereignisse folgendermaßen:

Niemand war mehr überrascht als die13 Spielleute aus dem kleinen Heidestädtchen Kampen, dass ihr Zug Tagessieger und ihr Stabführer Gerd Dringenburg bester seiner Gilde wurde. Stolz nahm Gerd Dringenburg den Tagessiegerpreis aus den Händen des Kreispräsidenten entgegen. Kampens Stabführer freute sich so über den Tagessiegerpreis, dass er unter großem Beifall im Stechschritt das Stadion verließ.

Ermutigt durch den überraschenden Erfolg stieg das Stimmungsbarometer wieder merklich an. Die Notenausbildung wurde vorangetrieben. Einige jüngere Spielleute festigten ihre Notenkenntnisse auf Lehrgängen des Schützenverbandes Hamburg unter Anleitung des legendären Erwin Kompalka.

Siegesfeier vor dem Vereinslokal

Die Spielstärke war weiterhin unbefriedigend, sodass man nun konkret über die Förderung des Nachwuchses nachdachte. Es kam der Gedanke auf, einen eigenständigen Jugendzug zu gründen, um so die Ausbildung gezielter betreiben zu können. Am Donnerstag vor dem Schützenfest 1983 lud der Bürgermeister Ernst Tödter den Spielmannszug zu einem Umtrunk ein. Gerd Dringenburg trug ihm zu später Stunde die Pläne zur Gründung des Jugendzuges vor. Ein Weller Bürger, der das Gespräch zufällig mithörte spendete spontan 1000. -- DM mit der Auflage innerhalb eines Jahres mit der Ausbildung zu beginnen.

Zunächst aber stand den Kamper Spielleuten im August 1983 ein weiterer Triumph bevor. Als Tagessieger brachte man aus Tostedt den begehrten Goldpokal, einen Wanderpreis, mit nach Hause. Gerd Dringenburg war von dem Erfolg so ergriffen, dass er die Trophäe nach der traditionellen Siegesfeier im Gasthaus Matthies mit heimwärts nahm, wo er mangels besserer Gelegenheit das Schlafgemach mit ihm teilte.

Zusätzlich zum Wintermoorer Schützenfest übernahm man nun auch die musikalische Begleitung der Königsmoorer Festlichkeiten. Besonders gerühmt wurden bei solchen Anlässen die gesanglichen Darbietungen des Lyristen Heiner Rademacher, der regelmäßig von den Schützenfrauen in Beschlag genommen wurde.

Die Beliebheit des Kamper Spielmannszuges führte außerdem zu zahlreichen Sondereinsätzen, z.B. Hochzeiten und Geburtstage. Man kam auf über 50 Einsätze pro Jahr. Zeitweilig war dadurch der Hausfrieden der Spielleute gefährdet.

Abmarsch in Königsmoor

Im März 1984 wurden die Pläne zur Gründung eines Jugendzuges realisiert. Nach Gesprächen mit dem Spielmannszug Otter, der ebenfalls Nachwuchs benötigte, beschloss man die Zusammenarbeit der beiden Vereine. In unkonventioneller Weise einigte man sich über folgende Punkte:

Gründung eines gemeinsamen Spielmannszuges. Auflösung des Zuges nach 5 Jahren. Übernahme der Jugendlichen in die Herrenzüge.

Mit je 14 Jugendlichen aus den beiden Vereinen und 10 Ausbildern wurde der Jugendspielmannszug Kampen Otter gegründet. Bereits auf dem Schützenfest 1984 in Kampen hatte der neugegründete Jugendspielmannszug seinen ersten Auftritt, mit alten, zusammengesuchten Instrumenten. Dank zahlreicher Spenden war man danach in der Lage, das Nötigste zu beschaffen.

Der Jugendspielmannszug auf dem Königsabend in Kampen

Im Juli 1986 startete der Jugendspielmannszug gemeinsam mit einigen Ausbildern zu einer einwöchigen Auslandsreise in die Niederlande. Auf einem umgebauten Binnenfrachter, einer schwimmenden Jugendherberge, ging es durch die holländischen Grachten. Beim Einlaufen in die größeren Städte wurden unter großem Interesse der holländischen Bevölkerung Konzerte gegeben. Gutes Wetter und ein ausgewogenes Reiseprogramm sicherten den Erfolg der Reise.

Der Jugendspielmannszug in Holland

1987 stand wieder mal einmal Wettkampf auf dem Terminplan des Spielmannszuges Kampen. Diesmal sollte es zum Nachbarverein Heidenau gehen. Vor der Abfahrt stellte man eine erfreuliche Spielstärke fest - mit einer Ausnahme - es fehlte der Tambourmajor Gerd Dringenburg.

Die eilends gestartete Suchaktion blieb ohne jeden Erfolg. Was niemand wusste: Der Verschollene hatte die Nacht zum Tage gemacht, und lag friedlich schlummernd in seinem Bett.

Die führungslosen Spielleute alarmierten in Ihrer Not den Tambourmajor i. R. Helmut Tödter. Dieser aber hatte den Wettkampfmarsch noch nie dirigiert. Ein Spielmann sang ihm daher die Melodie einige Male vor. Der Zug erreichte darauf den 4. Platz, der Tambourmajor in der Einzelwertung einen bravourösen 3. Platz.

Unsere Freunde aus Graz

Zum Schützenfest 1987 wurde internationaler Besuch erwartet. Ein Musikzug aus Graz in der Steiermark zog mit 50 Mitwirkenden in unser kleines Heidedorf ein. Der Kontakt war 1985 während einer Veranstaltung in Buxtehude zustande gekommen. Für die Dauer des einwöchigen Besuches stand ein reichhaltiges Programm fest, welches unter anderem einen Besuch der Insel Helgoland, eine Hafenrundfahrt in Hamburg sowie den Heidepark Soltau beinhaltete.

Alle Konzerte, besonders während des Schützenfestes, fanden den begeisterten Beifall der Zuschauer. Schnell entstanden persönliche Freundschaften zwischen den beiden Spielmannszügen. 1989 ist ein Gegenbesuch des Spielmannszuges Kampen in Graz geplant.

Spielmannszug Kampen 15. Mai 1988

Obere Reihe v. l.: Klaus Meyer, Werner Riebau, Heino Brenning, Heiko Hilmer, Werner Hilmer, Günther Meyer, Harald Schwarz; mittlere Reihe v. l.: Ralf Matthies, Klaus-Peter Heins, Willi Kolthammer, Karsten Kolthammer, Uwe Feindt, Wilhelm Dohrmann, Fritz Kuntz, Christoph Warncke: vordere Reihev. l.: Günter Hilmer, Wilhelm Matthies, Peter Brenning, Ernst Heins, Jürgen Wille, Manfred Danzer, Heinz Pape, Ehrentambour Helmut Tödter, Tambour Gerd Dringenburg;

Nicht auf dem Bild: Heiner Rademacher, Manfred Matthies, Friedhelm Matthies, Rainer Eddelbüttel, Wilhelm Dallmann, Gerd Brenning.